Encyclopaedia GalacticaLiteraturAuswahl

Mutter, Vater, Tod

Ursprung: Aragir

Land: Agaradan

Prolog

… indem sich die Mutter, der Vater & der Tod beraten, wer am besten geeignet sei, der aufkommenden Finsternis entgegen zu treten.

Szene: Eine Lichtung im Wald

Eine seltsam festliche Stimmung legt sich über das Land. Auf einer Waldlichtung entzündet sich spontan ein Feuer. Die Tiere des Waldes bleiben jedoch ruhig. In ihren Augen spiegelt sich das Licht der Flammen. Wie gebannt versammeln sie sich am Rande der Lichtung. 

Langsam tritt eine große Gestalt aus den Schatten. Dann erscheint eine zweite und schließlich eine dritte. Sie tragen dunkle Mäntel, deren Kapuzen tief in die Gesichter gezogen sind und ausschließlich das fahle Glimmen dessen, was sie verbergen, erahnen lassen. Am Feuer angekommen, schiebt die erste der drei ihre Kopfbedeckung zurück und offenbart die Züge einer wunderschönen, reifen Frau mit langem silbern-weißem Haar. Alles an ihr ist Sinnlichkeit und als sie ihren Mantel zu Boden gleiten lässt, offenbart sie mit ihrem nackten Leib alle Weisheiten der Lust und des Lebens.

Schnell lüftet auch die zweite Gestalt ihre Kapuze. Zum Vorschein kommt das bärtige Gesicht eines einäugigen Mannes. Seine Züge sind von einer langen Narbe durchbrochen, doch wohnt ihnen etwas Erhabenes inne. Hinzu kommt eine Prise Verschlagenheit, die seine Lippen umspielt, als er unverhohlen die vollen Brüste und den Schoß der Frau mustert.

Der dritte in der Runde, seine Haltung und schiere Körpergröße deuten auf einen Mann hin, schiebt seine Kapuze nur eine Hand breit nach hinten. Unter ihr kommt eine Maske in Form eines Schädels aus Bein zum Vorschein, auf der sich fahl das kalte Licht der Sterne spiegelt. Auch er mustert die Frau, doch seine Blicke sind vielmehr verstohlen und schüchtern als von Lust getrieben. Sein ganzes Gebaren zeigt von endloser Melancholie.

So stehen sie sich um das Feuer gegenüber, beobachtet von den paralysierten Blicken der Waldbewohner. Als der Einäugige zu sprechen beginnt, ist die Stille des Waldes perfekt:

 

Einauge: So sehen wir uns endlich wieder. Wurde auch Zeit …

 

Frau: Seid gegrüßt Männer.

 

Kapuze: *nickt*

 

Frau: Wir müssen schnell handeln, eingreifen und nicht wieder nur zusehen. Denkt an das Versagen des Tänzers.

 

Einauge: Ich hatte ihn gewarnt!

 

Kapuze: Eingriffe können zu negativen Ergebnissen führen …

 

Einauge: *ungehalten* Ja, am besten überlassen wir sie wieder ihrem Schicksal und warten, bis uns die Brühe um die Ohren fliegt.

 

Frau: Streiten wir nicht. Nur in gegenseitiger Harmonie können wir hier bestehen. Und denkt bitte daran, wir wollen diesmal einige der gekanteten Wörter nicht benutzen!

 

Einauge: *anzüglich* Ich wäre gerne ein wenig harmonisch mit dir.

 

*kurzes Schweigen*

 

Einauge: Ist dein kleines Fötzchen bereit?

 

Frau: Wie gewählt du dich wieder auszudrücken vermagst. Meine ist soweit. Sie hat das Schwert und ist vorbereitet.

 

Einauge: *grinst breit* So meinte ich das nicht.

 

Frau: Lass uns doch bitte wenigstens versuchen, ein klein bisschen professionell zu sein.

 

*kurzes Schweigen*

 

Einauge: Aber sie ist nicht die Heldin dieser Geschichte.

 

Frau: Das wird sich noch herausstellen. Dein ›Schwänzchen‹ derweil ist ein Welpe und sicher alles andere als bereit.

 

Einauge: Er ist sowas von bereit und vergesst nicht, er trägt meinen Funken in den Adern!

 

Kapuze: In diesem Zeitalter ist der Krieger noch nicht gefragt. Sein Auftritt wird erst noch kommen.

 

Einauge: *kichert* Er hat Zeitalter gesagt.

 

Frau: Bitte …

 

Einauge: Zeitalter! Er ist raus!

 

Frau: Er hat Recht, der Krieger trägt noch nicht einmal seine Waffen.

 

Einauge: Aber dafür wird er einen Schwanz haben, vor dem die Weiber und seine Feinde gleichermaßen erblassen werden.

 

Kapuze: *genervt* Das ist es … das ist der Grund, warum wir einfach nicht weiter kommen …

 

*kurzes Schweigen*

 

Kapuze: Ich habe einen Helden, der alles mitbringt, was wir hier brauchen.

 

Einauge: Eine kaputte Fresse? Was soll das bringen? Sollen unsere Feinde vor seiner Hässlichkeit erschaudern und das Weite suchen?

 

Frau: Er ist ein Held, zweifelsfrei.

 

Kapuze: Und er ist nicht allein.

 

Einauge: Er ist ein Mensch. Die Erfahrung offenbarte ja schon in der Vergangenheit, wie wir uns auf die verlassen konnten. Das wird super.

 

Frau: Sie sind treu und gläubig.

 

Kapuze: Er glaubt an mich. Er wird nicht fehlen.

 

Einauge: Sie sind so lange treu, bis man aufhört, ihre Wünsche zu erfüllen. Dann brennen sie die Tempel nieder und wenden sich Lüge, Trug und Chaos zu.

 

Frau: Also Dir …

 

Einauge: *gekränkt* Du tust mir Unrecht. Habe ich ihnen nicht die Weisheit gelehrt?

 

Frau: Du hast ihren Weibern die Schöße gefüllt.

 

Kapuze: *reibt sich die imaginäre Nasenwurzel* … bitte …

 

Frau: Du hast sie belogen und betrogen.

 

Einauge: Die brauchen das. So haben wir sie gemacht!

 

Frau: Sie waren gut bis …

 

Kapuze: Wärmen wir doch nicht diese alten Geschichten auf. Gut zu sein ohne Druck von Außen ist wertlos. Wer hätte ahnen können, dass sie sich direkt auf die allererste Verführung stürzen würden? *lacht leise hüstelnd*

 

Frau: Beweihräuchere dich nur selbst. Du hast es ja geschafft, dass dies keiner mehr für dich tut.

 

Einauge: Glaub mir, deine Hinterlassenschaften riechen auch nicht gerade nach knospenden Rosenblüten.

 

Kapuze: Der Geruch der Vergängnis gehört zum Leben …

 

Einauge: Immer die alte Leier. Einer dessen Lieblings-Odeuvre aus dem hinteren Ende von Aaswürmchen kommt, sollte bei diesem Thema besser Zurückhaltung üben.

 

Kapuze: Vielleicht wäre Zurückhaltung generell der richtige Weg.

 

Frau: *sieht Kapuze traurig an* Ich will dich nicht erneut verlieren. Es sollte jetzt klar sein, wie wichtig unser Eingreifen geworden ist. Fassen wir also zusammen: Schwänzchen ist noch zu klein …

 

Einauge: *unterbricht die Frau* Er ist ein Riese, fast so gewaltig wie sein Initiator!

 

Frau: … zu klein, meine Heldin …

 

Einauge: *unterbricht die Frau erneut* … ist tatsächlich klein.

 

Frau: … ist zwar klein, kann aber nicht als Vergleich dienen, weil sie in der Sache immun ist. Dennoch wird sie das ihre beitragen. Bleibt also der Recke der Menschen. Er kann versucht werden und er bringt tatsächlich alles mit, was dazu vonnöten ist.

 

*Frau und Einauge sehen Kapuze an*

 

Kapuze: Er wird bestehen, aber wir müssen eingreifen.

 

Frau: Dann sind wir uns einig. Lasst uns schnell handeln. Bringen wir unseren Helden bei, was von ihnen erwartet wird.

 

Einauge: Ja, lasst uns schnell machen, wir haben nur noch wenige Jahre Zeit … *rollt mit dem einen Auge*

 

Kapuze: Diese Dinge brauchen ihre Zeit. Ich für meinen Teil werde es dieses Jahr nicht mehr schaffen, vor meinem Helden zu erscheinen …

 

Einauge: Wir wissen alle, wie beschäftigt du bist. Vielleicht sollte ich das für dich übernehmen.

 

Frau: Hört jetzt auf zu streiten. Wir haben uns entschieden. Lasst uns die Dinge ins Rollen bringen.

 

Einauge: Und was ist mit der Schuppe?

 

Doch es ist zu spät. Die Frau und der Mann mit der Beinmaske haben sich schon abgewandt. Der Einäugige starrt noch einen Moment in die flackernden Flammen. Dann spuckt er hinein und wendet sich ebenfalls ab. Das Feuer züngelt noch einmal und erlischt schließlich.

Einen Moment lang ist es still, dann ruft ein Käuzchen. Dunkelheit breitet sich über die Lichtung aus. Dann, ganz plötzlich, huscht die nackte Gestalt der Frau erneut aus den Schatten. Sie schleicht zu der erkalteten Feuerstelle, bückt sich und hebt ein Stück der Kohle auf. Lächelnd verschwindet sie wieder in den Tiefen des Waldes.